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Maximilian Lambertz: Märchen aus Albanien

Herausgegeben und übersetzt von Maximilian Lambertz, mit Zeichnungen von Axel Leskoschek!

Aus der Einleitung

Die Auffassung, die man vielfach vertreten findet, als ob literaturarme Völker eine reichere Volkspoesie und unberührtere Volksbräuche hätten als solche mit hochentwickelten Kunstliteraturen, ist keineswegs richtig.

Frankreich und Italien mit ihren hochentwickelten Literaturen haben der Wissenschaft der Volkskunde reichste Schätze an Märchen und Volksliedern geliefert.

Namen wie Cosquin und Pitré, ersterer ein Sammler und Sichter nordfranzösischer, letzterer sizilianischer und überhaupt italienischer Märchen, Lieder und Bräuche erinnern den Fachmann an ganze Bändereihen, in denen die Schätze französischen und italienischen Folklors aufgestapelt sind.

Und auch unser Volk hat auch in den Zeiten seiner höchsten literarischen Blüte den Schatz der Volkspoesie weder verloren noch gemindert.

Unzweifelhaft hat auch die altgriechische Großmutter ihren Enkelkindern Märchen erzählt, zu einer Zeit, als in Athen Aristoteles, Epikur und Chrysippos ihre Schulen hielten.

Nur fand sich leider kein Grimm oder Cosquin, kein Pitré oder Politis, der die Erzeugnisse der damaligen Volkspoesie gesammelt hätte.

Wäre das geschehen, wir würden erkennen, daß das damalige Volkslied, das Märchen jener Zeit von den Erzeugnissen der Volkspoesie unserer Tage gar nicht wesentlich verschieden war.

Also nicht die Literaturarmut des albanischen Volkes ist es, die seine Volkspoesie in besonderem Lichte erstrahlen ließe.

Sondern es ist ja nur natürlich, daß man bei einem Volke, das bis vor wenigen Jahrzehnten an Kunstpoesie wenig zu bieten hatte, das Interesse auf die volkspoetischen Erzeugnisse konzentrierte.

Heute ist es übrigens mit der Armut des albanischen Volkes an Erzeugnissen der Kunstliteratur gar nicht mehr so schlimm.

Nicht nur die kulturell angeregteren Albaner in den albanischen Kolonien Süditaliens und Siziliens haben schon im vorigen Jahrhundert eine ganz nennenswerte Literatur hervorgebracht, sondern auch die Albaner am Ostufer der Adria haben eine ganze Reihe achtenswerter Dichter und Schriftsteller aufzuweisen.

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