Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas - von Karl Knortz
Die vorliegende Sammlung ist die erste in deutscher Sprache, die einen Überblick über die historische Entwicklung des Märchens in Amerika bietet!
Zauberhafte Märchen über magische Bonbons, Polarbären, Schmetterlinge, lachende Nilpferde... Spannende Lektüre zum online Lesen und Vorlesen... Ein Klassiker, der nie aus der Mode kommen wird...

Karl Knortz
Karl Knortz (* 28. August 1841 in Garbenheim bei Wetzlar; † 27. Juli 1918 in North Tarrytown, USA) war ein deutsch-amerikanischer Schriftsteller.
Karl Knortz wanderte 1863 in die USA aus und widmete sich hier dem Lehrerfach.
Er war 1866–68 in Detroit (Michigan), darauf bis 1871 in Oshkosh (Wisconsin), später in Cincinnati (Ohio) für die deutsche Sprache und Literatur tätig.
Er interessierte sich für den Dichter Walt Whitman und schrieb zwei Bücher über ihn.
Karl Knortz arbeitete als Redakteur des „Deutschen Pioniers“ in Cincinnati und der „Indiana Deutschen Zeitung“ in Indianapolis.

Aus der Einleitung
Ich weiß nicht, ob es gerade ein lohnendes Unternehmen ist, die Märchen, Sagen und Fabeln der wilden Rothäute der nordamerikanischen Urwälder und Prärien zusammenzustellen; äußerst mühevoll ist es sicher, das so weitläufig zerstreute Material aus den vielen englischen und französischen Büchern und mündlichen Berichten der Missionare, Dolmetscher, Reisenden und Indianeragenten zu kollektieren, zu ordnen und umzuschreiben.
Doch glaube ich, daß es jedenfalls eine interessante Aufgabe ist, der ich mich hier unterzogen habe, denn statt der Anzahl der bisherigen stereotypen Skalpgeschichten hält uns eine solche Sammlung einen klaren Spiegel indianischen Gemütslebens vor, bestehend in uroriginellen, wild aufgeschossenen, zwischen Blumen, Gras und Wigwamstangen gekeimten Phantasien, mit denen sich der alte Medizinmann schon mehr als tausendundeinmal ein »heiligeres« Ansehen gegeben und der vom rauhen Kabibonokko in den Wigwam gebannte Familienvater seinen Kindern schon ebensooft Hunger wie Langeweile vertrieben hat.
Nur im Winter hat der Indianer zu solcher Unterhaltung Zeit und Muße, denn im Sommer, wenn »die Wildnis blüht wie eine Rose« und ihn die Strahlen der Sonne aus der engen Hütte jagen, verbieten ihm sein Gewissen und seine Sicherheit jene Phantastereien, denn es würden ihm dann zur Strafe, wie die alten Propheten lehren, Kröten und Klapperschlangen die nächtliche Ruhe rauben.
Ruhig sitzt er dann neben seinem glimmenden Baumstamm, raucht gelassen seine Pfeife und läßt sich dabei, wenn er gerade sprechselig und nicht allzu hungrig ist, ob seiner merkwürdig verschlungenen Geschichten bewundern, wie er sie fand:
In des Waldes Vogelnestern,
In dem Hüttenbau des Bibers,
In des Büffelochsen Hufspur,
In dem Felsenhorst des Adlers.
Da erzählt er seine haarsträubenden Sagen von himmelhohen Riesen, deren Mäntel aus Skalpen und deren Trinkgeschirre aus Schädeln ihrer Feinde bestanden; von Mammutbüffeln, die so große Füße hatten, daß sie mit einem allein den größten Wald niedertreten konnten; von baumstarken Manitus, deren Anzahl sich wie die Götter der Hindus nur nach Millionen berechnen läßt, oder von leichtfüßigen Elfen, die wie die Virgilsche Camilla über die Flüsse liefen, ohne sich die Füße zu benetzen, oder über einen Kornacker, ohne eine Ähre zu knicken – und das Echo dieser Erzählungen tönt doch sicherlich viel angenehmer und lieblicher als das jener vielen absichtlich entstellten, von müßigen Köpfen dem Geschmack des ungebildeten Publikums angepaßten Greuelgeschichten, die sich von zahlreichen »zivilisierten« Völkern in noch bedeutend grelleren Farben aufzeichnen ließen, wenn den Lesern nur damit gedient wäre.
Aber die arme Rothaut ist einmal vor der öffentlichen Meinung in Ungnade gefallen, und sie ist bereits auch zu alt und zu schwach geworden, um vielleicht noch die Zeit eines günstigen Umschwungs erleben zu können, und es wird auch nicht mehr lange dauern, daß ihre Geschichte, die ja bis jetzt nur von ihrem Untergang handelte, wie ein aus uralten Zeiten überliefertes Märchen klingen wird; denn die Beherrscherin der Welt, die Zivilisation, hat jene traurigen Gestalten längst für überflüssig erklärt und ihnen schon seit geraumer Zeit im Urwald die dickste Eiche umgebogen, die ihnen den Weg zum nahen Grab zeigt.
»Das Geschlecht der Kornsäer ist mächtiger als das der Fleischfresser.«
Die Zivilisation ist eben mit einem wohlgepflegten Garten zu vergleichen, dessen Hüter hauptsächlich darauf angewiesen ist, die wilden Tiere davon fernzuhalten. So ist's mit dem Indianer.
Als sich herausstellte, daß ihm das Wort »Fortschritt« ein unbekannter Begriff war, der weder in seinem Kopf noch in sein ganzes Leben paßte, sahen sich die Blaßgesichter gezwungen, ihm seinen besonderen Boden anzuweisen, wo er mit seinem Freund, dem Büffel, in gleicher Kategorie stand und nur noch insofern als höheres Geschöpf betrachtet wurde, als er ständig das willfährige Werkzeug zu den nichtswürdigsten Spekulationen abgab.
Zwar wurden für ihn die mildesten und humansten Gesetze und Bestimmungen erlassen, und sein Land wurde ihm so teuer bezahlt, wie man es einem Weißen hätte bezahlen müssen, aber er erhielt doch so gut wie gar nichts dafür.
Seine Annuitäten werden gegen die wertlosesten Sachen umgetauscht.
Senator Neshmith von Oregon sagte einst in einer Rede, daß er Augenzeuge gewesen sei, wie einem Stamm anstatt des bestimmten Geldes und der wollenen Decken vierzig Dutzend Paare elastischer Strumpfbänder geschickt wurden, trotzdem keiner jener Indianer je vorher nur einen Strumpf gesehen hatte.
So haben sie also ihre angestammte Heimat verloren, und das bißchen Wild, das sich noch auf den für sie reservierten Strecken herumtreibt, wird auch tagtäglich seltener, denn der verwegene Trapper achtet keine Grenze, sondern geht hin, wo es ihm gefällt, bestraft aber jede unglückliche Rothaut, die sich desselben Verbrechens schuldig macht, unbarmherzig mit dem Tod oder mit Grausamkeiten, die die der roten Rasse bei weitem in den Schatten stellen.
Denn jene verwegenen Gesellen, die sich dem unsteten Trapperleben, das tagtäglich von allen erdenklichen Gefahren umgeben ist, widmen, schlagen ihr Leben äußerst gering an und das ihrer roten Brüder natürlich noch viel geringer.
Alle Indianer stimmen darin überein, daß es, seit sie mit den Weißen Umgang gepflogen hätten, bedeutend mehr Diebe, Mörder und sonstige schlechte Kerle unter ihnen gäbe.
Der Prophet Tecumseh sagte einst in einer Rede:
»Als der weiße Mann seinen Fuß auf unser Land setzte, war er hungrig
und schwach und hatte keinen Platz, wohin er seine Decke legen, und
kein Feuer, an dem er sie trocknen konnte. Unsere Väter teilten alles
mit ihm; wenn er Hunger hatte, speisten sie ihn, wenn er krank war,
brachten sie ihm Medizin, und wenn es kalt war, wärmende Felle. Aber
der weiße Mann ist wie die halberfrorene Schlange, die ihren Wohltäter,
der sie in seinem warmen Wigwam aufnahm, heimlich mit ihrem Gift
tötete. Der weiße Mann macht jetzt Jagd auf uns und verschont weder
unsere Kinder noch unsere Frauen, noch unsere alten, hilflosen Leute.
Gott hat ihm ein großes Land hinter dem Wasser gegeben, aber er ist
mit nichts zufrieden, und nun sucht er uns aus unserer Heimat zu vertreiben!«
...
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